Projektmanagement

Risikomanagement in ungewissen Situationen

Ungewissheit ist immer Teil des Projektmanagement-Alltags: Die meisten langjährigen Projekte müssen im Projektverlauf immer wieder ihre Rahmenbedingungen überprüfen und neu bewerten. Das Projektumfeld ändert sich immer häufiger, sei es durch Veränderungen im eigenen Unternehmen, in der Politik oder durch Anforderungen von Konsumenten. Die Einführung eines Risikomanagements kann die Antwort auf diese Ungewissheit sein. Aber reicht das aus? Was können wir tun, um bessere Projektmanager:innen zu werden?

Risiko und Ungewissheit - ein Unterschied

Diese Grafik zeigt auf einen Blick, wie Sie als Führungskraft möglichst einfach zwischen den oftmals synonym verwendeten Konzepten unterscheiden können. Gerade in der Unterscheidung zwischen Risiko und Ungewissheit steckt viel Sprengkraft:

  • Risiko: Mithilfe von Annahmen können wir die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses bestimmen.
  • Ungewissheit: Wir können die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht umfänglich einschätzen. Hätten Sie sich beispielsweise am Anfang der Corona-Pandemie zugetraut, einschätzen zu können, mit welcher Wahrscheinlichkeit Maßnahmen wie Maskenpflicht, Sperrstunden etc. eingesetzt werden?

Für uns als Projektleiter:innen besteht die Schwierigkeit darin, in hektischen Projektsituationen schnell folgenden Sachverhalt einordnen zu können: Wird auf Grundlage angstbasierter Motive künstlich ein Risiko geschaffen, um der Ungewissheit zu entgehen, oder handelt es sich tatsächlich um ein händelbares Risiko?

Die Risiken des Risikomanagements

Wie in der Abbildung oben beschrieben, gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen einem Risiko und einer Ungewissheit: Für das Risiko können Annahmen über seine Eintrittswahrscheinlichkeit getroffen werden, während für Ungewissheit nicht. In den meisten Projekten wird allerdings nicht zwischen Risiko und Ungewissheit unterschieden. Da das Risikomanagement die bekannteste Methode des Umgangs mit der unsicheren Zukunft in Projekten darstellt, versuchen die meisten Projektmanager:innen, die Ungewissheit als Risiko zu behandeln.

Das Risikomanagement selbst birgt folgende Risiken:

  1. Klassisches Risikomanagement ist in den meisten Projekten mit hohem administrativen Aufwand und damit Kosten verbunden. Manche Projekte geben großen Teil ihres Budgets für den Umgang mit Risiken aus. Es gibt jedoch einen Punkt, an dem jeder weiterer Euro keinen risikoreduzierenden Effekt mehr hat. Und dieser Punkt ist früher erreicht als gedacht. Das können Sie u.a. im Fazit dieses Artikels über zwei Infrastrukturprojekte in Südamerika nachlesen.
  2. Risikomanagement basiert immer auf Annahmen. Diese sind wunsch- oder angstmotiviert und immer subjektiv. Das sollte Entscheider:innen immer bewusst sein, da die Annahmen andernfalls häufig als Fakten missinterpretiert werden können. Diese Annahmen klar von Fakten zu trennen ist essenziell, um nicht auf Basis von wunsch- oder angstmotivierten Annahmen Entscheidungen zu treffen.

Risikomanagement ist ein wichtiger Bestandteil in jedem Projekt, und sollte von Projektmanager:innen durchgeführt werden, welche die verbundenen Herausforderungen kennen und meistern.

Hybride Projektmanagement-Methoden: Ein möglicher Ausweg?

Die meisten Projekte in Digitalisierungskontexten sind auf eine ungewisse Zukunft ausgerichtet. In diesen Projekten sind Neubewertungen aufgrund sich ändernder Umfeldfaktoren nicht selten. In diesem Fall ist es sinnvoll, zusätzlich zum Regelprozess des Risikomanagements einen Risikoworkshop durchzuführen. Hier können zum einen mögliche Risiken zusammengetragen, Annahmen über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens und der Schadenshöhe getroffen und diese zuletzt monetär bewertet werden. Dabei kann es zu neuen Erkenntnissen kommen, die automatisch alle Annahmen einer erneuten kritischen Bewertung unterziehen. Dann muss als Konsequenz die Projektplanung angepasst und möglicherweise sogar das Projektziel umdefiniert werden.

Agile Projektmanagement-Methoden unterstützen Sie genau in diesem Vorgehen. Bei der Arbeit mit kurzen Sprints können sich verändernde Rahmenbedingungen durchgehend berücksichtigt werden. Die genaue Ausgestaltung des Projektergebnisses wird im agilen Projektmanagement über den Projektverlauf immer klarer. Die so geschaffene Ergebnisoffenheit ermöglicht es Teams, in dynamischen und komplexen Kontexten erfolgreich zu sein.

Auch Hybride Projektmanagement-Methoden können die Projektarbeit bei Ungewissheit erleichtern. Denkbar sind zum Beispiel Projektkonstellationen, in denen die Teams, die mit volatilen Anforderungen arbeiten müssen (z.B. App-Entwicklung), agil arbeiten. Währenddessen können eher statisch orientierte Bereiche (z.B. Compliance) weiterhin nach klassischen Projektmanagement-Methoden arbeiten. Oder aber alle Teams arbeiten agil und nur das Reporting wird klassisch aufgesetzt. Das sorgt für dringend benötigten Handlungsspielraum bei den Mitarbeiter:innen und bietet dem Management gleichzeitig einen klaren Kontrollrahmen. Einen Einblick, wann welche Projektmanagement-Methoden sinnvoll angewendet werden und welche Herausforderungen sich daraus ergeben, erhalten Sie in unseren kurz und knackigen Fact Sheets zum Hybriden Projektmanagement und zur Einführung von agilen Arbeitsweisen.

Wie also können wir zu besseren Projektmanager:inenn und Führungskräften werden?

Indem wir…

  • Chancen wahrnehmen.
  • den Unterschied zwischen Risiko und Ungewissheit kennen.
  • uns bewusst machen, dass wir mit Menschen arbeiten und dass Risikomanagement auf wunsch- oder angstorientierten Annahmen basiert.
  • das Projektumfeld im Blick behalten und bei sich verändernden Rahmenbedingungen den Mut haben, die Projektannahmen zu überprüfen und die Projektplanung anzupassen.
  • agile und klassische Projektmanagementmethoden gleichermaßen souverän nutzen, um Synergien und einen flexiblen Gestaltungsrahmen unserer Projekt zu schaffen.
Annika Günther

Annika Günther